Nur die wenigsten der hand-colorierten, auf den ersten Eindruck recht unscheinbaren und naiv wirkenden Lithografien, Stiche oder gar Aquarelle, die man heute leider nur noch sehr vereinzelt und im überwiegend schlechten Zustand in Nachlässen oder auf Floh-Märkten, in Militaria-Sammlungen oder -Messen und in Museums-Archiven findet, sind rückseitig mit dem Namenszug "C. Bommer" signiert: Ursprünglich flott skizziert, dann als Steindruck oder Kupferstich in schwarz-weiß gefertigt, anschließend überwiegend sorgsam aquarelliert, waren die etwa 20cm hohen Motive der Serie, über deren Gesamt-Zahl keine Informationen vorliegen, im 19. Jahrhundert beliebte Sammler-Stücke, Beleg patriotischer Gesinnung und eine - mehr oder weniger lukrative - Einnahme-Quelle für Künstler. Die umfangreichsten Sammlungen sind unseres Wissens in den "Digital collections" der "New York Public Library's" (hier aus dem Nachlass der Sammlung Hendrik Jacobus Vinkhuijzen [ca. 1843 - 1910]) sowie der "Bibliothèque nationale de France" (BnF - Nationalbibliothek Frankreichs) gegeben (hier aus dem Nachlass der Sammlung Gustave de Ridder [1861-1945]), wobei die Signatur in der französischen Sammlung kurzerhand als "Capitaine Bommer" gedeutet wurde. Wiederentdeckt wurden Bommer´s Tafeln in dem hervorragenden Werk von Alfred Umhey "Napoleons last Grande Armee", sowie durch die Rekonstruktion der "Dresdner Bilderhandschrift aus den Jahren 1812 und 1813" (siehe dazu "books.google.de", das durch die prächtig kolorierten Nachzeichnungen von Edmund Wagner einen besonderen uniform-kundlichen Wert erhalten hat.
Über das Leben von Christoph Ernst Benjamin Bommer ist wenig bekannt. Gesichert ist, dass seine Schwester Caroline (1793 – 1847) mit dem Romantik-Maler Casper David Friedrich (1774 - 1840) verheiratet war, was vermuten lässt, dass beide Künstler in einem intensiven und freundschaftlichen Kontakt zueinander standen. Geboren wurde Bommer am 24. November 1789 als Sohn eines Blau-Färbers, studierte von 1803 bis annehmbar 1807 an der Dresdener Kunst-Akademie - wo er möglicherweise Friedrich kennenlernte - und verdingte sich anschließend wohl überwiegend als Porträt-Maler, Illustrator und Dokumentarist seiner Zeit. So haben bspw. die in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden archivierten Kupferstiche überwiegend Ereignisse aus der Zeit der Napoleonischen Kriege zum Inhalt, deren außerordentliches Detail-Reichtum auf eine ausgeprägte Beobachtungsgabe Bommers schließen lassen und die Darstellungen heute besonders für die zeit-historische und uniform-kundliche Forschung interessant machen. Auch ist es sehr naheliegend, dass viele Motive Bommers als Vorlage für Knötels "Uniformenkunde" gedient haben, denn eine Vielzahl der dargestellten Typen finden sich in beinahe identischer Pose innerhalb der Tafeln wieder.
Mit Sicherheit sah er zum Jahres-Wechsel 1812/13 den Zug der im Russland-Feldzug geschlagenen "Grande Armée" durch die sächsische Residenz-Stadt marschieren, deren Reste im "Camp de Dresde" (franz.: Lager von Dresden) gesammelt, neu ausgerüstet und uniformiert wurden, was ihm die Möglichkeit bot, die Parade- und Feld-Uniformen der einzelnen französischen, sächsischen, italienischen und polnischen Regimenter zu studieren und mit zahlreichen Details festzuhalten. Die Darstellung dieser Soldaten-Typen dürfte der Beginn einer umfang-reichen Studien-Reihe gewesen sein, die neben französischen Uniformen u.a. auch Übersichten der Armeen Österreichs und Russlands, Britanniens und der deutschen Klein-Staaten bietet, wobei hier natürlich besonderes Gewicht auf die sächsische Armee gelegt wurde. Einzelne Blätter, die Soldaten-Typen aus den Jahren nach Bommers Tod am 29. April 1864 zeigen, weichen zwar künstlerisch, technisch und farblich – insbesondere in der Qualität der Darstellung und damit den Details – erheblich vom grafischen Stil der originalen Serie ab, komplettieren jedoch das Gesamt-Werk und belegen, dass es wohl einen Sammler-Kreis für die damals recht populären Motive gab.
Über Bommers Zusammenarbeit mit dem beinahe gleich-altrigen Kurt Alexander Winkler (1794 - 1862), nach den Forschungen Alfred Umheys Co-Autor von Bommers "Dresdner Bilderhandschrift" und damit sehr wahrscheinlich auch Verfasser der "Freiberger Bilderhandschrift", lässt sich nur spekulieren: Verbinden könnte beide die umfangreiche und (lt. WIKIPEDIA) "als sehr wertvoll beschriebene Sammlung von… Darstellungen von Schlachten, Uniformen und Militaria" von Winklers Vater August Fürchtegott (1770 - 1807), dessen Vater - gleich Bommers Vater - ebenfalls als Blau-Färber tätig war. Im Widerspruch steht, dass Kurt Alexander Winkler bald eine beachtliche Karriere im thüringischen Bergbau- und Hütten-Betrieb, als Chemiker und Metallurge und im sächsischen Staats-Dienst vorlegen konnte…
Ergänzt und stilistisch ähnlich fortgesetzt wurde Bommers Werk u.a. durch zeichnerische Talente wie dem in Sachsen geborenen und wohl sehr skurrilen bayerischen Amts-Richter Johann Baptist Cantler (1822-1919), der die Zeit langweiliger Gerichts-Verhandlungen wohl dazu nutzte, seine Prozess-Akten mit "Männlein" vollzukritzeln und sich außeramtlich mit der Erforschung der Uniformierung süddeutscher – insbesondere bayerischer – Regimenter beschäftigte: Seine insgesamt 96 Tafeln zu je 12 Bildern (zusammen 1.152 Einzel-Darstellungen) zeigen detailliert und farb-stimmig das Erscheinungs-Bild der kurfürstlich-, ab 1806 königlich-bayerischen Armee von 1800 bis zur Errichtung des Kaiserlich-Deutschen Heeres 1873 in allen Chargen (vollständig erhalten in der Sammlung des Bayerischen Armee-Museums und 1976 unter dem Titel »Der bayerischen Armee sämtliche Uniformen 1800 – 1873« vom Eikon-Verlag als Einzelblatt-Sammlung veröffentlicht).
"Generalität & Adjudantur - Generalstab"
Tafel 3 aus dem Uniformen-Werk von Johann B. Candler.
(Bildquelle: "Nord gegen Süd - Der Deutsche Krieg 1866", Kataloge des Bayerischen Armee-Museums Ingolstadt, 2016.)
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